Die Wilde Jagd – Naturwesen der Nacht

»Die Wilde Jagd tanzt durch die Nacht, Wanderer, gib gut auf dich acht! Du wirst gesehen, geprüft und gewogen – wo warst du ehrlich, wo hast du gelogen? Das unten wird nach oben gewirbelt. Schaue in deine eigenen Tiefen und ziehe Bilanz. Was nagt noch an dir? Begleiche deine Rechnungen, bringe Angefangenes zu Ende, vergib, und versöhne dich. Du bist verantwortlich für dein persönliches Glück…«

– Jeanne Ruland –

Erscheinen uns solche Worte in unserer Zeit mit unseren sicheren, geheizten und hell beleuchteten Räumen nicht ein bisschen seltsam? Wir sitzen meist im Warmen, feiern die weihnachtliche Zeit und genießen dabei so manche Leckerei. Nur manchmal, wenn der Winterwind des Abends um die Ecken pfeift und wir, womöglich auf dem Land ohne künstliche Beleuchtung, einmal nach draußen gehen, erahnen wir, warum so viele Mythen, Bräuche und Traditionen mit dieser Zeit verbunden sind. Es ist stockdunkel, eisig kalt und der Wind bläst uns den kalten Schneeregen ins Gesicht und lässt es zusätzlich noch ungemütlicher werden. Stelle dir jetzt deinen Ahnen vor, die vielleicht am Waldrand in einem kleinen Dorf in einer einfachen kleinen Holzhütte gewohnt haben. Der Sturm heult durch die Ritzen und das Dach droht abzuheben. Das einzige Licht ist eine Kerze auf dem Tisch und die Feuerstelle, die auch noch die einzige Wärme abgibt. Die Vorratskammer ist mäßig gefüllt und reicht gerade mal für deine Familie. Marodierende Räuberbanden ziehen durch die dunklen Nächte und bedrohen die wenigen Vorräte und Schätzen die unsere Ahnen hatten. Der Winter war für unsere Ahnen eine sehr raue Zeit. Man saß meist in den Häusern fest und so verbreiteten sich die Mythen, Sagen und Bräuche von einer Generation zur nächsten. So überstanden sie die Zeit und mit etwas Glück konnten sie daraus auch ihren Frieden ziehen.

Nun, sagts du, so war das früher. Aber mal ehrlich, wenn wir heute in einer solchen Nachts hinaus in die dunkle Natur oder den tiefen Wald gehen, fühlen wir uns trotz all unserer Aufgeklärtheit und sogenannten Zivilisation doch gar nicht mehr so sicher, oder? Eine unheimliche Stimmung liegt über dem Land –oder ist es eine heilige Stille?

Von Wölfen, Wotan und Odin, Frau Holle und vielen weiteren „sagenhaften“ Wesen…

Hast du schon einmal vom Wolfsmond gehört? So wurde die Vorweihnachtszeit in früheren Jahren oft bezeichnet. Man dachte, der dunkle Wolf versuche, die Sonne zu verschlingen. Die Sonne, das Licht, musste behütet werden, damit sie, wenn sie stark genug ist, wieder aufsteigen kann. Nach der Geburt des Lichts – am Ende der Wintersonnenwende – tobt für 12 Tage und Nächte Odins/Wotans „Wilde Jagd“ über das Land. Wotan der Toten- und Kriegsgott und Gott der Ekstase wurde in der Wikingerzeit zum höchsten Gott. Je nach Region trägt er den Namen Wotan im südgermanischen, oder Odin im nordeuropäischen Raum. Begleitet wird er, bei seiner Wilden Jagd von dem achtbeiniges Pferd Sleipnir, den Wölfen Geri und Freki (Gier und Gefräßigkeit) und den Raben Hugin und Munin (Gedanke und Gedächtnis/Erinnerung) und weiteren „haarigen“ Gesellen. Manche davon erkennen wir auch in Richard Wagners „Ring der Nibelungen“ wieder.    

Alles beginnt mit dem Fest der Wintersonnenwende. Im keltischen nannte man dieses Fest »Alban Arthuan«. Was bedeutet „Licht des Arthurs“. Die Söhne des Lichts (Sonne) kehren auf die Erde zurück. Die Kelten feierten über drei Tage ein großes Fest. Denn die Zahl drei steht für die Manifestation. Am vierten Tag hat sich das Licht manifestiert und ist auf der Erde verankert.

Die nordgermanische Bezeichnung für diese Zeit ist auch heute noch geläufig, das »Julfest«. Jul bedeutet Fest und wird durch den Stand der Sterne im Winter bestimmt. Es ist ein altes Fest, dass in all den Jahren nicht nur viele Namen, sondern auch viele, heute noch bekannte, Traditionen hervorgebracht hat. Es wird in vielen Ländern auf unterschiedliche Weise gefeiert. Rituale wie der Lichterbaum, Kerzen, Rute, Besen, Bestrafung und Belohnung, Geschenke an das Licht, die auf der Reise in das neue Jahr stärken sollen, gebackenes süßes Brot und Plätzchen die verteilt werden und vieles mehr. Noch heute finden wir Abwandlungen davon in unseren Winterfesten wieder. Der gebräuchlichste Name in unserer christlich geprägten Welt ist Weihnachten, das Fest der Weihe. Tatsächlich legte aufgrund der alten Bedeutung des Festes die Kirche die Geburt Jesu auf den 24. Dezember, der vierte Tag der Wintersonnenwende, die Geburt des Lichts. Denn in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezembers passiert die Sonne den tiefsten Punkt in ihrem Jahreslauf. In der christlichen Geschichte symbolisiert König Herodes den lichtverschlingenden Wolf, der versucht, das heilige Kind zu töten. So schließt sich der Kreis zur alten Mythologie.

Die weibliche Seite der Rauhnächte wird von »Frau Holle«, die wir aus Grimms Märchen kennen, vertreten. Sie, das Wesen über den Wolken, oder tief im Brunnen, dass die fleißige Marie mit Gold und die faule Marie mit Pech überschüttet. Sie symbolisiert die zwei Seiten, die wir in Allem wieder finden. Gut und Böse, glänzend und lieblich oder stinkend und pechschwarz. Wenn die Wilden Geister in den Rauhnächten über das Land ziehen, zieht sie mit. Sie prüft, ob die Menschen Ordnung halten und die gebotene Ruhe achten. So wie im Märchen straft oder belohnt sie. Auch begleitet sie die Seelen der Menschen die im vergangenen Jahr verstorben sind auf die Reise in die himmlischen Welten, in denen es an nicht mangeln wird. Ihr Kommen dient einem der wesentliche Teil des Lebendkreislaufes, dem Tod. Daher zeugte die große Frucht der Menschen vor ihrem erscheinen. Und doch ist sie die Verkörperung der Muttergöttin. Mutter Erde, die Künderin eines neuen Jahres (Lebens). Sie schafft die Ordnung und am Ende der Zeit den Neubeginn des natürlichen Zyklus. Sie ist das Zeichen für das wunderbare Wirken der weiblichen Kraft.